Stanislav Kaunov

geb. 1925 in Jenakijewe, Sowjetunion (heutige Ukraine)

Stanislav Kaunov wurde in einer Kleinstadt im Oblast Donezk geboren. Nach der Schule lernte er am Technikum das Metallhandwerk. Als die Wehrmacht die Stadt 1941 besetzte, war er 16 Jahre alt. Wie hunderttausende Menschen in den besetzten Gebieten auch, mussten er und seine Mutter von diesem Zeitpunkt an Zwangsarbeit leisten.

1943 deportierte die SS ihn ins Ruhrgebiet. Bei der Duisburger Firma Demag musste er Rüstungsgüter herstellen. Stanislav Kaunov floh von seinem Arbeitsplatz, schloss sich hinter den deutschen Linien einer Widerstandsgruppe an und wurde einige Wochen später von der Polizei aufgegriffen. Zur Strafe verschleppte ihn die Gestapo im Oktober 1944 in das Konzentrationslager Buchenwald. Zwischenzeitlich musste er im KZ-Außenlager Ellrich-Juliushütte Zwangsarbeit leisten. Einen Monat später kam er in das Außenlager Ohrdruf. Dort gelang ihm abermals die Flucht und abermals wurde er verhaftet. Als ihn die Wehrmacht aus dem Gefängnis heraus in ein „Strafbataillon“ steckte, bot sich Stanislav Kaunov die Gelegenheit zu desertieren.

Er schlug sich 1945 in die Ukraine durch, doch auch dort entkam er den staatlichen Verdächtigungen nicht. Dieses Mal warfen ihm die sowjetischen Behörden Kollaboration mit den Deutschen vor. Von 1946 bis 1950 war er in einem Straflager in Karelien interniert.

Ich bin ein ehemaliger Häftling der Konzentrationslager Buchenwald, Mittelbau-Dora und Ohrdruf.

1940 beendete ich die siebte Klasse und trat in das metallurgische Technikum (Fachschule) ein. Der Vater ging 1941 an die Front, fiel 1944 bei der Befestigung des Dnepr. Mutter und ich blieben auf dem okkupierten Territorium. Nach verschiedenen erfolgreichen Fluchten vor der Polizei wurde ich im Dezember 1942 interniert und zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt.

Und dann war ich in Berlin-Köpenick.

Die Firma HASAG fertigte Projektile. Weil in meinem Fragebogen stand „ich beendete das erste Jahr im metallurgischen Technikum“ bestimmten sie mich für eine Mechaniker-Werkstatt, ich sollte dort Dreher lernen.

In der Monatsmitte Juni 1943 „verkauften“ sie mich „weiter“ an die Stadt Duisburg für die Firma DEMAG.

Am 24. Oktober1944 schickten sie mich nach Buchenwald.

Von den zwei Wochen in der Quarantäne in Buchenwald bis zum Abtransport nach Ohrdruf ist mir wenig in Erinnerung geblieben, vielleicht nur das, dass die amerikanischen Flieger mit ihren satten Gesichtern geringschätzig auf die Häftlinge Buchenwalds herabgesehen haben.

In Ohrdruf war ich 10 Tage vom 7. November 1944 bis zum 17. November 1944. Die Tage in Ohrdruf waren gekennzeichnet von der ständigen Todeserwartung. Das ist schlimmer als jede Folter.

Mein Freund Ivan und ich flohen am 17. November 1944.

Wegen der amerikanischen Luftangriffe kam der Lastwagen, mit der wir zur Arbeit gebracht werden sollten, nicht an.

Wir waren insgesamt also 80 Leute, die dann zu Fuß in das Lager gehen sollten. In dieser Lage verirrte sich der Konvoi und die Kolonne kehrte um. Unsere Reihe (immer vier Leute) war an einem Abhang und daneben die SS-Männer mit ihren Maschinengewehren. Ivan springt auf einen SS-Mann, der nicht aufhört zu schießen und ich hinter Ivan her.Und dann befanden wir uns in dem Abhang zusammen mit dem toten SS-Mann. Alles passierte spontan. Die Kolonne entfernte sich und wir befanden uns in der „Freiheit“.

Die Holzschuhe an den Beinen, die gestreifte Kleidung und auf dem Kopf das Kreuz geschoren. Außerdem befanden wir uns in Feindesland.

Ich schlug vor, nach Westen zu gehen, mit dem Argument, dass es näher ist. Aber Ivan hatte eine Freundin in Berlin und hat kategorisch abgelehnt. Also, Berlin.

Ende November schlugen wir uns (auf dem Trittbrett) eines Militärzugs nach Berlin durch.

Im Lager an der Station Adlerhof verwundeten sie mich auf der Flucht: Eine Kugel in den Po, eine zweite in die Wirbelsäule. Die im Po wurde herausgezogen, die in der Wirbelsäule trage ich bis jetzt. In Berlin räumten wir die Trümmer zusammen nach den Bombardements.

Danach Gefängnis neben dem Reichstag und am Ende, die Überstellung durch die Deutschen über die Frontlinie. Und dann befand ich mich in den Fängen der Smersch. Danach war ich im Filtrationslager in der Stadt Šatura bei Moskau – ich bekam fünf Jahre Gulag für die Verletzung der Passverordnung und der Arbeitsgesetzgebung – sie hatten mich nicht rausgelassen, ich war alleine zur Mutter in die Ukraine zurückgekehrt.

1949 wurde ich vorfristig entlassen.

Ich machte meinen Abschluss an der Kiever Universität (Geologische Fakultät). 1967 schrieb ich dann meine Doktorarbeit als Monographie zum Thema „Theoretische Fragen zum Schutz unterirdischer Leitungen vor Korrosion mit Hilfe von Kathodenstationen im elektrischen Feld“.

1990 ging ich in Pension. Ich beschäftigte mich mit Schnitzen und mit dem Bau meines Hauses (s. Memoiren).

Zum Jubiläum 2005 veröffentlichte ich die Memoiren „Ich war dort nicht freiwillig“ und es gab einen Dokumentarfilm auf der Grundlage der Memoiren. Ich habe sieben Bücher geschrieben: Memoiren, fünf Romane und eine Gedichtsammlung.

gekürzte Fassung des Statements von Stanislav Kaunov auf Basis von: Свидетельство о публикации №220120501529

© Stanislav Kaunov, 2021

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Stanislav Kaunov: I︠A︡ tam byl ne po svoeĭ vole, Kiev, 2010 [dt.: „Ich war dort nicht aus freiem Willen“].

Stanislav Kaunov erzählt seine Geschichte auf Youtube [auf Russisch]