#otd1945.03.04
Vor den Augen des Vaters
Karol Frim wurde nur 19 Jahre alt. Am 4. März 1945 starb er im Kleinen Lager von Buchenwald. Mit seinem Vater Leon hatte er das Ghetto Przemyśl, verschiedene Arbeitslager, Auschwitz und den Todesmarsch von Groß-Rosen nach Buchenwald überstanden. Im Kleinen Lagern fehlte es an allem. Essen wurde einmal pro Tag in der Kinobaracke verteilt. Einlass erhielt nur, wer seine Essensmarke vorzeigte. Ihr Verlust glich einem Todesurteil.
Leon Frim musste mitansehen, wie man seinem Sohn den Zutritt verweigerte: „Ich sah, wie der Türsteher Karol nach seiner nummerierten Metallmarke fragte und wurde Zeuge von Karols Bestürzung, als er in seine Tasche griff, sie leer fand und verstand, dass man ihm die Marke gestohlen hatte […]. Man befahl ihm, aus der Reihe zu treten. Es lässt sich nicht mit Worten sagen, wie elend ich mich bei diesem entsetzlichen Vorfall fühlte. Ich flehte den Türsteher an, Karol hineinzulassen, aber es half nichts.“ Kurz darauf kam Karol Frim in die Krankenstation. Acht Tage später war er tot.
(Michael Löffelsender)
Quelle: Leon Frim, Seasons in the Dark, Jerusalem 2011.