#otd1945.04.08
Jagd auf Häftlinge

Am 8. April 1945 griffen amerikanische Flieger den Güterbahnhof im niedersächsischen Celle an, ein strategischer Verkehrsknotenpunkt. Ohne davon zu wissen, trafen ihre Bomben auch einen Transportzug mit KZ-Häftlingen. Mehrere Hundert von ihnen starben.

Wie viele der Überlebenden flohen auch Armand Roux und Camille Delétang aus den brennenden Waggons. Die beiden Franzosen trugen eine Mappe mit Aufzeichnungen und Häftlingsporträts bei sich, die sie in den Monaten zuvor im Außenlager Holzen des KZ Buchenwald heimlich angefertigt hatten. SS-Männer, Soldaten und Polizisten machten – unterstützt von Einheimischen – Jagd auf die Geflohenen. Sie ermordeten 170 Häftlinge.

Armand Roux und Camille Delétang überlebten das Massaker. Die SS trieb sie in das nahegelegene KZ Bergen-Belsen. Die ihnen so wichtige Mappe war ihnen im Chaos der Flucht entrissen worden. Erst 2012 tauchte sie wieder auf. Eine Anwohnerin hatte sie am Tag des Massakers in ihrem Garten unweit des Bahnhofs gefunden.

(Michael Löffelsender)

Literatur:

Bernhard Strebel, Celle April 1945 revisited. Ein amerikanischer Bombenangriff, deutsche Massaker an KZ-Häftlingen und ein britisches Gerichtsverfahren, Bielefeld 2008.

Jens-Christian Wagner (Hg.), Wiederentdeckt. Zeugnisse aus dem Konzentrationslager Holzen, Göttingen 2013.