#otd1945.06.20
Gedenken

Am 20. Juni 1945 fand am Südhang des Ettersberg, nahe des Bismarckturms, eine Beisetzungsfeier statt. 1.286 Urnen mit der Asche von im KZ Buchenwald gestorbenen Häftlingen wurden an diesem Tag beigesetzt. Neben Überlebenden des Lagers nahmen auch Bewohner/-innen der umliegenden Dörfer an der Veranstaltung teil. Militärgeistliche der US Army gestalteten den ökumenischen Gottesdienst.

Der 1901 eingeweihte Bismarckturm galt bis 1939 als touristisches Ausflugsziel. Anfang 1945 nahm die SS den Turm in Besitz und lagerte Asche-Urnen in den Kellerräumen ein. Als das Krematorium Anfang März 1945 wegen Brennstoffknappheit nicht weiter betrieben werden konnte, ließ die SS die Toten des Lagers in natürlichen Erdfällen südlich des Turms vergraben. 2.900 Tote lagen zum Zeitpunkt der Befreiung in den vier Erdtrichtern.

Unterhalb des Bismarckturms wurde im April 1945 ein Friedhof eingerichtet. Ehemalige Häftlinge, die nach der Befreiung des KZ Buchenwald gestorben waren, und verstorbene polnische Zwangsarbeiter aus dem DP-Camp Buchenwald wurden hier in Reihengräbern beigesetzt. Die Gräber wurden nummeriert und mit Kreuzen oder Davidsternen gekennzeichnet. Nach dem 20. Juni 1945 fanden nur noch vierzehn Beerdigungen statt, die letzte am 10. Juli 1945, eine Woche nach der Übernahme des befreiten Lagers durch die Rote Armee.

Die Kennzeichnung der Gräber ging in den folgenden Jahren ebenso verloren wie das Wissen um die Identität der Beerdigten und die genaue Lage der Gräber. Wiederholt kam es zu Klagen über den ungepflegten und verwahrlosten Zustand des Friedhofes. Gleichzeitig setzten die Planungen für eine Gedenkstätte für die Toten des KZ Buchenwald ein. Der Bismarckturm wurde im Mai 1949 gesprengt. Aus dem Friedhof wurde im selben Jahr ein Ehrenhain für die namenlosen Toten. Später wurden die Reihengräber Teil des Mahnmals Buchenwald. Erst in den 1990er Jahren gelang es, die Namen und Liegeplätze von 400 Toten zu rekonstruieren und entsprechend zu kennzeichnen.

Der Friedhof am Bismarckturm steht beispielhaft für das frühe Gedenken an die Opfer der Konzentrationslager. Das Gedenken erfolgte zumeist an Gräbern ehemaliger Lagerstandorte oder an Orten von Todesmärschen. Eines der ersten Gedenkzeichen für die Toten des KZ Mittelbau-Dora wurde im September 1945 auf dem Friedhof von Münchehof im niedersächsischen Seesen eingeweiht. Ein Grabstein erinnerte an 23 Häftlinge, die Anfang April 1945 während eines Räumungstransports aus dem KZ Mittelbau-Dora gestorben waren. Auch der Gedenkstein von Münchehof geriet in Vergessenheit. Erst Ende der 1990er-Jahre wurde er wiederentdeckt. Seitdem findet dort jedes Jahr eine Gedenkfeier statt.

(Gwendoline Cicottini)

 

Literatur:

Harry Stein, Der Friedhof am Bismarckturm, in: Weimar-Kultur-Journal, Nr. 4/1996, S. 28 f.

Volkhard Knigge (Hg.), Versteinertes Gedenken: das Buchenwalder Mahnmal von 1958, Spröda 1997.

Jens-Christian Wagner, Das „Schland“-Mal von Münchehof. Ein außergewöhnliches Denkmal für NS-Opfer, in: Zeitschrift für Museum und Bildung 84-85 (2018), S. 132-137.