#otd1945.02.16
„Fahnenflucht“
Am 16. Februar 1945 wurden sechs sogenannte Zwischenhäftlinge in das KZ Mittelbau-Dora eingewiesen. Es waren Wehrmachtsdeserteure, die ihre eigentliche Strafe erst nach Ende des Krieges antreten sollten. An ihren unterschiedlichen Schicksalen zeigt sich, wie willkürlich der NS-Terror in den letzten Monaten des Krieges war.
Das Militärstrafgesetzbuch von 1944 behauptete, die meisten Deserteure seien „psychopatische Minderwertige“, die keine Nachsicht verdienten. Folglich wurde einer der sechs Männer, der 24-jährige Günter Bott, wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt. Das Militärgericht schrieb ihm eine „asoziale Abartigkeit“ zu. Zur „Bewährung“ wurde er dann ins KZ gebracht.
Bei dem 42-jährigen Rudolf Steinbach lag der Fall anders. Trotz ähnlicher Tatsachen – Entfernung von der Truppe – sah das Militärgericht von der Todesstrafe ab, weil „der Angeklagte nicht zu den asozialen Elementen gehört, deren Auslöschung erwünscht ist“. Die Folgen waren für beide Männer gleich: Ihre Spur verliert sich im KZ.
(Karsten Uhl)
Literatur: Manfred Messerschmidt, Deserteure im Zweiten Weltkrieg, in: Wolfram Wette (Hg.), Deserteure der Wehrmacht: Feiglinge – Opfer – Hoffnungsträger? Dokumentation eines Meinungswandels, Essen 1995, S. 58-74.