#otd1945.01.27
Der Tod des Vaters
Noch am Abend zuvor hatte er mit seinem Sohn Bertrand gesprochen – wie jeden Abend, seit er im Krankenrevier lag. Nun war Willy Herz am Ende seiner Kräfte. Gezeichnet von der Ruhr, starb der 61-jährige Franzose am 27. Januar in Niederorschel, einem Buchenwalder Außenlager.
Wegen ihrer jüdischen Herkunft war die Familie 1942 aus Paris nach Toulouse geflohen. Lange Zeit konnte sie sich der Deportation entziehen. Erst nach der Landung der Alliierten geriet sie im Juli 1944 in die Fänge der deutschen Besatzer. Über Buchenwald kamen Vater und Sohn nach Niederorschel, wo die Häftlinge Tragflächen für Flugzeuge montieren mussten.
„Der Vater ist tot, aber der Sohn muss weiterleben“ – gab ein langjähriger Mithäftling dem damals 14-jährigen Bertrand mit auf den Weg. Der Jugendliche überlebte die folgenden Wochen und die Räumung des Lagers. Nach der Befreiung und der Rückkehr nach Paris erfuhr er vom Tod seiner Mutter. Nur seine Schwester Françoise war aus dem KZ Ravensbrück zurückgekommen.
(Michael Löffelsender)
Quelle: Bertrand Herz, Der Tod war überall. Ein Überlebender berichtet, Weimar 2016.
Literatur: Wolfgang Große, Aus dem Umkreis der Kamine. Überlebende eines KZ-Außenkommandos berichten, Duderstadt 2009.