#otd1945.04.05
Der letzte Zug aus Dora

Nun war auch dem stursten SS-Mann klargeworden, dass die Konzentrationslager im Südharz geräumt werden mussten. Die britische Royal Air Force hatte an den beiden Tagen zuvor die Stadt Nordhausen heftig bombardiert und die amerikanischen Truppen näherten sich unaufhaltsam: Am Abend des 5. April verließ der letzte Bahntransport mit 4 000 Häftlingen das Lager Dora. Zurück blieben nur ein paar Hundert Schwerkranke und Sterbende.

Dieser letzte Transport verlief wie alle Todesmärsche: Immer wieder wurde die Zugfahrt unterbrochen, die Häftlinge mussten marschieren und dann – wenn möglich – erneut einen Zug besteigen. Der Lagerälteste Roman Drung führte penibel Buch über alle Toten, um der SS erklären zu können, „wo die fehlenden Leute geblieben waren“. Beim ersten Halt nach kurzer Fahrt registrierte er 29 Tote, beim zweiten 26. Bei Goslar gelang ihm am 8. April die Flucht; bis dahin waren noch 72 Erschossene hinzugekommen. Doch es war noch nicht zu Ende: Der Todesmarsch ging weiter bis Ravensbrück.

(Karsten Uhl)

Literatur: Regine Heubaum u. Jens-Christian Wagner (Hg.), Zwischen Harz und Heide. Todesmärsche und Räumungstransporte im April 1945, Göttingen 2015.